Unser Zuhause hat viele Facetten. Für die einen ist es der Ort, um mit Familie und Freundeskreis zusammen zu sein, für die anderen Rückzugsort an dem wir uns sicher und geborgen fühlen und für wieder andere ein Kreativort, an dem wir uns verwirklichen können. Unser Zuhause verändern wir durch umräumen, ausmisten, aufpeppen und neu kaufen. Die langjährige Wohnanalystin Ursula Geismann fasst die aktuellen Entwicklungen im Zuhause zusammen. Dabei deuten zwei auffällige Trends darauf hin, dass wir auch nach der Pandemie mehr Zuhause bleiben: Innovationen im Bereich des Smart Home und weiter steigende Digitalisierung.
Smart Home und Robotik entlasten Bewohner:innen von unbeliebten „Nebenwirkungen“ und Hausarbeiten des Wohnens. Der Saugroboter saugt, die Beleuchtung ist intelligent, der Ofen putzt sich selbst, die Fenster schließen sich, wenn man das Haus verlässt und die Heizung reguliert die Temperatur von ganz allein. Laut Bitkom, dem Digitalverband Deutschlands, sind die Ausgaben für Smart Home Technologien 2021 deutlich gestiegen. Wir versmarten unsere Wohnung soweit wir können. In Vernetzung, Steuerung, Komfort und Licht, Energiemanagement, smarte Haushaltsgeräte und Gebäudesicherheit wird auch in diesem Jahr überdurchschnittlich investiert.
Die Megatrends Digitalisierung und Konnektivität werden zweitens mit steigendem technischem Fortschritt auch die eigenen vier Wände neu definieren. Ehemals außerhäusliche Aktivitäten werden zunehmend ins Zuhause verlegt. Homing in fünf Jahren heißt: Streaming, Fitness, Gaming, online einkaufen, mobil arbeiten, Essen liefern lassen, medizinische Beratung am Computer wahrnehmen und in virtueller Realität den Freundeskreis treffen. Die Menschen werden auch nach der Pandemie bis zu 75 Prozent ihrer Freizeit im eigenen Zuhause verbringen. Aber als soziales Wesen braucht der Mensch auch ein soziales Miteinander, was sich aber keineswegs mehr nur auf das Wochenende beschränken wird. Digitale Möglichkeiten erweitern die individuelle Zeitplanung, was Auswirkungen auf Dienstleistungen, kulturelle Angebote und den eigenen Arbeitsrhythmus haben wird. Dienstags wird ausgeschlafen während Sonntagmorgen ein Onlinemeeting mit einer internationalen Arbeitsgruppe stattfindet. Montags ist der Friseurbesuch angesagt und dem Online-Gottesdienst wird Freitags gefolgt. Das Wochenende wird einen enormen Bedeutungsverlust erleiden, wobei private Freizeit auch in Zukunft möglichst zwei Tage betragen sollte.
Was wir 2022 Zuhause machen:
Mehr Tutorials mehr DIY
Wir upcyceln Dinge, reparieren Haushaltsgegenstände und pimpen unsere Möbel und unsere gesamte Wohnung. Digitalisierung führt zum Wunsch nach analoger Beschäftigung. Viele von uns befinden sich in einem akuten Machbarkeits-Dilemma. Die großen Zukunftsprobleme werden erkannt, aber wir haben keine Idee, wie wir die Herausforderungen bewältigen können. So versuchen vor allem die jungen Generationen, zumindest im kleinen Umfeld, zu retten, was noch zu retten ist. Sie dokumentieren ihre Heimwerkertätigkeiten auf den sozialen Medien und tragen so zum nachhaltigen Gebrauch von Gegenständen bei. Auch Handwerksmeister:innen zeigen auf den sozialen Kanälen ihre Kniffe und motivieren die Menschen zu DIY.
Mehr digitale Möglichkeiten mehr Homeoffice
2030, so sagen es Prognosen, verbringt jeder zweite Bürobeschäftigte in Deutschland seine Arbeitszeit vollständig Zuhause. Die Pandemie hat das Thema stark beschleunigt und die Politik denkt inzwischen über ein Recht auf das Arbeiten von Zuhause nach. In der Folge wird auch Arbeitsschutz neu diskutiert werden. Die digitalen Möglichkeiten erlauben Datenzugriff und Videobesprechungen, aber auch das Tracking der Tätigkeiten. Derzeit wird vorwiegend nur in Laptop und Smartphone investiert und die Ausstattung des Heimarbeitsplatzes bleibt bei vielen auf der Strecke. Ergonomische Möbel, wie Bürostuhl und Schreibtisch, gehören in Zukunft zur Homeoffice Ausstattung genauso wie gutes Licht und Schallschutz. Da die Verschmelzung von Wohnzimmer und Arbeitsbereich die wahrscheinlichste und praktikabelste Lösung für diese Entwicklung ist, wird die Ausstattung eine entscheidende Rolle, auch für die Gewinnung guter Fachkräfte, spielen.
Mehr Impulse mehr Farbe
Farben können glücklicher machen. Das haben wir inzwischen in den sozialen Medien und deren vielen geteilten Inspirationen gelernt. 2022 ist das Jahr der Anwendung. Das Schlafzimmer wird blau gestrichen und die Küche grün. Übrigens gibt es auch ein wachsendes Angebot grüner Küchenmöbel. Es sind Olivgrün und Avocado, die gut zu den Farbtrends Schwarz und Holz passen. Glück und Erneuerung, Leichtigkeit und Zuversicht und viele andere psychologische Wirkungen spiegeln sich in Farben wider. Die Farbpalette ist dabei groß. Panettone sieht die Farbe 2022 in „Very Peri“, einem Veilchenlila, Caparol erkennt einen Farbton zwischen Rot und Violett. Fakt ist, die Trendfarben dieses Jahres gehen eindeutig in die warme Richtung. Gemütlich, aber nicht altdeutsch. Tapeten, gerne mit barocken Ornamenten, floralen Mustern oder abstrakten Grafiken, werden noch mehr Absatz finden. Es sind viele klassische Erdtöne zu sehen. Im Möbelland Italien ist Braun schon das neue Schwarz.
Mehr verspielte Saisonware mehr industrielles Design
Weihnachten war gerade, Ostern wird kommen. Eine Fülle von Dekorationen steht uns zur Verfügung und diese nutzen wir auch ausgiebig. In krassem Gegensatz zu kühlem Design gewinnt Deco an Bedeutung und trumpft mit verspieltem Beiwerk. Allerorts und online sind Dekorationen, Accessoires und Heimtextilien kaufbar, auch gebraucht und gepimpt. Dabei ist im Innenausbau grundsätzlich ein industrieller Look beliebt. Vereinfachen und reduzieren sind angesagt. Das Zuhause soll aufgeräumt und geradlinig sein. Großes Thema sind hier Vier-Kant-Profile aus schwarzem Stahl. Zunächst als Tischbeine, dann als Türrahmen, Raumteiler, Spiegelrahmen oder Schiebtüren mit viel Glasfläche oder Sprossenfenstern erfüllen zwei Wünsche: Räume definieren und abgrenzen und trotzdem durch die Durchsichtigkeit bzw. Transluzenz nicht abgeschottet sein. Mama arbeitet in ihrem Glaskasten … So kommt von den Bewohnenden selbst Bewegung in den langjährig immer gleichen und offenen Grundriss im Wohnungsneubau.
Mehr schneller Wandel mehr langsames Design
Das Verständnis von Qualität in Bezug auf Design verändert sich. Die Menschen hinterfragen was sie kaufen, denn sie sehen, dass ihr Konsum einen Einfluss auf den ganzen Planeten hat. Designprozess, Produktion, Materialien sowie die Themen Nachhaltigkeit und Langlebigkeit rücken in den Fokus. Langsames Design, also Slow Design, bezieht sich wie bei Slow Fashion und Slow Food auf die Verantwortung für das eigene alltägliche Handeln. Designschaffende können im Gestaltungsprozess von Möbeln und Einrichtungsgegenständen auf Zeitlosigkeit und Nachhaltigkeit setzen und so der Wegwerfkultur entgegenwirken. „Slow Design“ kann sich zu einer wirtschaftlichen und unternehmerischen Denkweise entwickeln und muss die Frage was nach dem Gebrauch der Möbel kommt vorher mit beantworten.
Mehr Nachhaltigkeit mehr Furnier
Furnier ist angesagter Allrounder. Furnier als Möbeloberfläche ist zunehmend gefragt. Eiche gilt dabei immer noch als besonders attraktiv, wobei auch anderer Holzarten wie Nussbaum, Ahorn, Birke und auch Nadelhölzer wie Kiefer und Lärche eine gute Nachfrage in der internationalen Möbelindustrie erfahren. Den Menschen ist heute eine natürliche Möbeloberfläche wichtiger als noch vor wenigen Jahren. Aufschwung erfährt Furnier auch als Material für Wohnaccessoires und Lifestyleprodukte. Im Innenausbau - als Design- oder Schallschutzelement - findet Furnier mehr Verwendung im Objektbau als im privaten Wohnungsbau.